Viele Apotheken im Sauerland bei Protesttag dabei

In den Apotheken im Sauerland gibt es große Probleme. Heute erwartet die Apothekerschaft Antworten von Minister Lauterbach.

© Apothekerverband Westfalen-Lippe

Die Apotheker im Sauerland fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Heute machen viele beim Protesttag mit und schließen ihre Apotheke um 13 Uhr für ein paar Stunden. Gut drei Monate nach dem großen Protesttag der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker bleibt erneut ein Großteil der 51 Apotheken im Hochsauerlandkreis geschlossen – aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Die Notversorgung wird in dieser Zeit von Notdienstapotheken übernommen. Viele Apotheken öffnen am Nachmittag wieder, um Kunden zu versorgen.

In den Apotheken soll die Rede Lauterbachs geschaut werden

Mit der Schließung wollen die Apotheker ihren Mitarbeitern die Chance geben, die Rede von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach digital zu verfolgen. Der Minister ist nicht persönlich beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf sondern beantwortet per Zuschaltung zentrale Fragen des Berufsstandes. So ist es zumindest die Hoffnung der Apotheker. Es geht um eine auskömmliche Honorierung bei immer mehr Arbeit, um die Sicherung der Arzneimittelversorgung vor Ort angesichts rückläufiger Apothekenzahlen und zu den stetig schlimmer werdenden Lieferengpässen. Die betreffen viele Medikamentengruppen beispielsweise Antidepressiva, Antibiotika, Antiepileptika, Augensalben- und tropfen. Viele Apotheker rufen täglich beim Großhandel an, um zu erfragen, was gerade lieferbar ist, so die Briloner Apothekerin Sandra Dietrich-Siebert. Sie ist die Vorsitzende der Bezirksgruppe Hochsauerland im Apothekerverband Westfalen-Lippe. Heute ist der „Tag der Antworten“, so die Apothekerschaft.

Kosten in den Apotheken sind gestiegen

Zugleich verwehren sich die Apotheken-Teams gegen den Vorwurf Lauterbachs, man versuche angesichts der massivem Lieferengpässe Ängste bei Eltern zu schüren und damit Honorarforderungen durchzudrücken. „Wir sind zwar seit zehn Jahren von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgehängt und brauchen auch angesichts gestiegener Kosten eine höhere Entlohnung“, so Klaus Mörchen, Sprecher der Apothekerschaft im Altkreis Meschede. „Doch das hat mit den Lieferengpässen überhaupt nichts zu tun. Wenn es von heute auf morgen keine Lieferengpässe mehr gäbe, hätten wir keinen Cent mehr in der Tasche. Wir könnten einfach nur besser unsere Aufgabe erfüllen: Nämlich die Bevölkerung – ob jung oder alt – mit den Arzneimitteln zu versorgen, die die Menschen benötigen.“ Mörchen sieht hier ein klares Ablenkungsmanöver des umstrittenen Ministers: „Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist für Herrn Lauterbach eine klare Aufgabe festgeschrieben – die Stärkung der wohnortnahen Apotheke. Dieses Thema sitzt er jetzt seit fast zwei Jahren aus, während alle 18 Stunden in Deutschland eine Apotheke aus wirtschaftlichen Gründen schließen muss.“

Immer weniger Apotheken

Die Zahl der Apotheken vor Ort befindet sich seit Jahren im Sinkflug – und in den vergangenen Monaten ist dieser immer steiler geworden, heißt es. Die Apotheker wollen Antworten auf die Frage, wie die Regierung den Absturz stoppen und damit die flächendeckende Versorgung der Menschen sichern will. „Diese Frage stellen wir bereits seit vielen Monaten und hätten gern endlich eine Antwort der Bundesregierung“, sagt Sandra Dietrich-Siebert, Vorsitzende der Bezirksgruppe Hochsauerland im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). „Weil die Aussagen des Ministers für uns, unsere Teams und die Versorgung unserer Patienten von hoher Bedeutung sind, bitten wir um Verständnis, dass viele Apotheken in diesem Zeitraum von etwa 13 bis 16 Uhr geschlossen bleiben. Denn wir wollen die online übertragene Botschaft des Ministers live mitverfolgen“, so Sandra Dietrich-Siebert.

Viele Apotheken sind in ihrer Existenz gefährdet

Ein Drittel der Apotheken sei aktuell gefährdet. Vor allem interessiert die Apothekerinnen und Apotheker die Antwort auf die Frage, ob der Minister das Honorar der Apotheken erhöhen wird. Zu Beginn des Jahres sei es sogar noch gekürzt worden – bei massiv steigenden Kosten und hoher Inflation. „Die Kolleginnen und Kollegen, die in den vergangenen Monaten ihre Apotheken für immer schließen mussten, haben das nicht getan, weil sie zu viel verdient haben“, sagt Sandra Dietrich-Siebert.

Tatsächlich sei die Apothekenvergütung pro abgegebener verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung nicht mehr auskömmlich. Zehn Prozent der Apotheken seien defizitär und ein Drittel gefährdet. Es sei schwer, Nachfolger zu finden und auch Personal zu halten, wird immer schwieriger. Bei bis zu 60 Wochenarbeitsstunden verdiene mancher Apotheker, der selbstständig sei, nicht mehr als ein angestellter Kollege. Das mache den Beruf für junge Menschen unattraktiv, so Dietrich-Siebert. Sie sagt wir sind Feuerlöscher und ein Ende der Fahnenstange sei nicht in Sicht. Die Apothekerin wünscht sich von Seiten des Gesundheitsministeriums mehr Interesse an der Arbeit in den Apotheken vor Ort.

Apothekenteams hoffen auf Hilfe von der Politik

Daneben erwarten die Apothekenteams vom Minister auch Lösungen beim Dauerthema Lieferengpässe. Probleme gibt es bei Antibiotikapräparaten, Fiebersäften, Diabetes-Mitteln, Blutdruck- und Cholesterinsenkern und vielen weiteren Arzneimitteln. Die Apotheken kritisieren auch die überbordende Bürokratie und immer wieder ungerechtfertigte Regressforderungen der Krankenkassen.

Auch das sie immer beim Arzt nachfragen müssen, wenn sie eine Änderung am Rezept vornehmen, belastet viele Apotheker. Sie versuchten immer alles zu tun, um die Patienten zu versorgen und dabei blieben sie manchmal sogar auf den Kosten sitzen. Wenn sie mehr Spielraum für eigene Entscheidungen hätten, würde das viele Anrufe bei der verschreibenden Arztpraxis überflüssig machen, so Dietrich-Siebert. Jeder Anruf koste Zeit, die ohnehin knapp bemessen sei, da der Beratungsbedarf in den Apotheken durch die Lieferengpässe enorm gestiegen sei.

Viele Patienten müssten mittlerweile mehrere Apotheken aufsuchen, um überhaupt noch das verschriebene Medikament zu bekommen.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel kann aus Sicht der Apotheken eine Besserung der Lage bringen. In anderen Ländern würden die Pharmafirmen einfach mehr verdienen als in Deutschland und dann gingen die Medikamente eben dorthin.


Notdienstapotheken findet man hier oder mit einem Anruf unter 0800/0022833 (kostenlos aus dem Festnetz).

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