Urteile im Wisent-Streit

2 Sauerländer Forstwirte müssen die Tiere nicht dulden, so das Oberlandesgericht Hamm.

© Wisent-Welt-Wittgenstein

Im sogenannten Wisent-Streit hat es heute 2 Urteile gegeben. Schmallenberger Forstwirte müssen von Wisenten ausgehende Beeinträchtigungen nicht mehr dulden, so das Oberlandesgericht Hamm.

Die Tiere waren im Rothaargebirge ausgewildert worden und hatten immer wieder Bäume im HSK angefressen. Zur Begründung hieß es, dass die klagenden Forstwirte von dem Wisent-Verein verlangen könnten, die Beschädigung ihrer Bäume durch die Tiere durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Das Gericht hat beide Fälle zur Revision am Bundesgerichtshof zugelassen. 



Begründung des Gerichtes in Hamm

Die beiden Forstwirte müssten diese Eigentumsbeeinträchtigungen insbesondere nicht (mehr) unter dem Gesichtspunkt dulden, dass es sich bei der Freisetzung der Wisente um eine naturschutzrechtliche Maßnahme – im Sinne von § 65 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) – handele, so das Gericht.

Denn durch die Tiere würden sie in der Nutzung ihrer Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt. Dabei könne zugunsten des beklagten Vereins unterstellt werden, dass die Schäden am Baumbestand der Forstwirte und die damit verbundene wirtschaftliche Belastung unter Berücksichtigung gezahlter Entschädigungen eine Unzumutbarkeit nicht begründen könnten, weshalb es einer Aufklärung der genauen Schadenshöhe durch ein Sachverständigengutachten nicht bedürfe.

Von vornherein sei die Freisetzung der Wisente auf einen begrenzten Zeitraum angelegt gewesen und dürfte nicht über Gebühr ausgedehnt werden.

Tatsächlich seien die Ziele dieser Phase erreicht, weshalb es ihrer Fortsetzung für die Realisierung des Projekts nicht mehr bedürfe, heißt es weiter. Auch eine dem beklagten Verein zuzubilligende Übergangsfrist für die Vorbereitung und Umsetzung der im Anschluss an die Freisetzungsphase zu treffenden Entscheidungen wäre inzwischen abgelaufen.

"Soweit der beklagte Verein zuletzt mitgeteilt habe, es sei noch nicht absehbar, wann die Freisetzungsphase beendet sei, könne der Senat dieser Einschätzung nicht folgen. Sie stünde nämlich in offenem Widerspruch zu vorangegangenen Äußerungen des Vereins in den Jahren 2014 und 2016, wonach die Freisetzungsphase erfolgreich abgeschlossen gewesen sei. Außerdem sei sie mit der weiteren Vorgehensweise der Projektbeteiligten, die über eine die Freisetzungsphase offiziell ablösende “Übergangsphase“ und damit das weitere Schicksal des Projekts beraten sollen, sowie objektiven Umständen – wie die inzwischen vergangene Zeit von mehr als acht Jahren seit der Freilassung der Wisente am 11.04.2013 – nicht in Einklang zu bringen", heißt es vom OLG.

Gründe, warum noch ein weiterer Zeitraum zulasten der Forstwirte einzuräumen sein sollte, seien nicht ersichtlich. Allein unterschiedliche politische Vorstellungen zu dem weiteren Schicksal des Projekts könnten eine – ggf. unbegrenzte – Ausdehnung der Entscheidungsphase nicht rechtfertigen. Vielmehr hätte sich für alle Projektbeteiligten aufdrängen müssen, zeitnah nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2019 die Beratungen zu forcieren und zu einer Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung des Projekts zu gelangen. Dass dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelungen sei, wirke sich nun zulasten des beklagten Vereins aus. 


Reaktion des Wisent-Vereins

Nach den Urteilen des Oberlandesgerichts Hamm prüft der Wisent-Verein einen erneuten Gang zum Bundesgerichtshof.

Das Gericht habe bereits in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai die Auffassung vertreten, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag, in dem die jetzige Freisetzungsphase geregelt ist, möglicherweise nicht mehr wirksam sei.

Denn diese zweite Phase, dauere nun schon zu lange. Damit habe sich der Vertrag auf der Zeitschiene erledigt. Die gegen den Wisent-Verein klagenden Waldbauern müssten daher nun nicht mehr dulden, dass die Wisente ihre Grundstücke betreten und dort Schäden an Bäumen verursachten.

Die Vertragsparteien des Wisent-Projektes hatten für die angestrebte Wiederansiedlung einen klaren rechtlichen Rahmen formuliert. Insgesamt drei öffentlich-rechtliche Verträge sollten nacheinander die Grundlage für das Artenschutzprojekt im Rothaargebirge bilden. Der erste Vertrag, der die Phase bis zur Freisetzung im April 2013 geregelt hatte, wurde von einem zweiten Vertrag abgelöst, der die Grundlage für die aktuelle Freisetzungsphase bildet. In einem noch zu schließenden dritten Vertrag sollten schließlich die Rahmenbedingungen für die dauerhafte Ansiedlung und Freiheit der Wisente formuliert werden. Die Urteile des Gerichts beziehen sich ausschließlich auf den Vertrag der aktuellen zweiten Phase, so der Wisent-Verein. Mit einem entsprechenden dritten Vertrag zur dauerhaften Etablierung des Artenschutzprojektes wären die klagenden Privatwaldeigentümer dann wieder verpflichtet, die Wisente zu dulden. Der neue öffentlich-rechtliche Vertrag wäre unter Federführung des NRW-Umweltministeriums zu schließen. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat eine politische Entscheidung über das Projekt noch in diesem Jahr angekündigt. Diese soll auf der Basis eines Gutachtens erfolgen, das in Kürze in seiner endgültigen Fassung vorgelegt werden wird. Der Wisent-Verein erwartet, dass diese politische Entscheidung noch vor einem weiteren Gerichtsentscheid fallen wird.

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