Sauerland: Gewalt gegen Ärzte nimmt zu

Umfrage der Ärztekammer Westfalen Lippe belegt Gewalterfahrungen vieler Mediziner.

Immer mehr Ärzte erleben in ihrer Praxis oder im Krankenhaus Gewalt. Deshalb fordert die Ärztekammer Westfalen Lippe ein flächendeckendes Meldesystem. Darin sollten Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt im Gesundheitswesen konsequent angezeigt werden. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe hatte rund 4500 Kammerangehörige befragt. Fast 3000 Mediziner gaben an, bereits Erfahrungen mit verbaler oder körperlicher Gewalt gemacht zu haben. Auch Ärztinnen und Ärzte müssen besonders geschützt werden, denn gewalttätige Übergriffe im ärztlichen Alltag sind keine Kavaliersdelikte, sondern erhebliche Vergehen, so die Kammer.

4513 Ärzte machen mit

„Die Gewalt gegen ärztliche Kolleginnen und Kollegen eskaliert. Wir können und dürfen dieses Thema gesellschaftlich nicht länger ignorieren, " das sagt der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), Dr. Hans-Albert Gehle. Die Ärztekammer hatte eine Umfrage unter den rund 42.500 im elektronischen Mitgliederportal der Kammer angemeldeten Ärzte gemacht. 4513 Kammerangehörige haben mitgemacht. Fast 3000 haben die Frage „Haben Sie in der Vergangenheit in ihrem ärztlichen Alltag Gewalt erfahren müssen?“ mit „Ja“ beantwortet. Dabei handelte es sich in 2676 Fällen um verbale Gewalt, in 1015 Fällen sogar oder auch um körperliche Gewalt. 1354 Fälle ereigneten sich im stationären Bereich, 1339 im ambulanten Bereich, 254 im Rettungsdienst. Hauptsächlich ging die Gewalt von Patientinnen und Patienten (2159 Fälle) aber auch von Angehörigen (1563 Fälle) aus. Vereinzelt wurden auch Fälle von Gewalt unter ärztlichen Kollegen oder durch Pflegepersonal, Krankenschwestern, Sanitäter, Passanten oder Polizisten registriert.

Hemmschwelle sinkt

Gehle: „Die umfangreichen und schnellen Rückläufer unserer Umfrage zeigen, dass es eine spürbare und dauerhafte Zunahme von Gewaltereignissen im ärztlichen Alltag gibt und dieses Thema die Kolleginnen und Kollegen sowie auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter massiv belastet. Die Hemmschwelle für aggressives oder beleidigendes Verhalten sinkt und die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das wir nicht tolerieren dürfen.“

Forderungen der Kammer

Deshalb fordert die ÄKWL ein flächendeckendes Meldesystem. Darin sollten Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt im Gesundheitswesen nicht nur konsequent angezeigt werden. Aus dem Meldesystem sollten auch weitergehende Erkenntnisse gewonnen werden, wie und mit welchen präventiven Maßnahmen solche Gewaltakte verhindert werden können.

Ärztinnen und Ärzte müssen, so die weitere Forderung des Kammerpräsidenten, in die Regelung des Paragraphen 115 Strafgesetzbuch aufgenommen werden, der Angriffe auf oder Widerstand gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter sanktioniert, also auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen. „Auch Ärztinnen und Ärzte müssen besonders geschützt werden, denn gewalttätige Übergriffe im ärztlichen Alltag sind keine Kavaliersdelikte, sondern erhebliche Vergehen.“

Zu notwendigen Schutzmaßnahmen gehören laut Kammerpräsident auch Angebote von Deeskalationstrainings und Konfliktgesprächskursen, die die Akademie für medizinische Fortbildung der ÄKWL und KVWL anbieten kann.

Gehle mit Blick auf die nahe Zukunft: „Es ist überlegenswert, eine entsprechende Ombudsstelle zum Thema Gewalt gegen Ärzte und medizinisches Personal bei der Kammer einzurichten.“

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