Weltkriegs-Zeitzeugenbericht in Heimatmuseum Olsberg-Wulmeringhausen
Veröffentlicht: Freitag, 22.09.2023 14:38
Der Sohn eines gebürtigen Wulmeringhäusers hat die niedergeschriebenen Erlebnisse seines Vaters an das Museum übergeben. Sie sind auch online zu finden.
Welche Auswirkungen das Kriegsgeschehen für ihn hatte, erfuhr der Sohn, Alfons Rüther jun, erst, als er 2009 auf 525 handgeschriebenen Seiten die Kriegserlebnisse seines Vaters zum Lesen bekam. Vieles, was der gebürtige Wulmeringhauser, Alfons Rüther sen., im 2. Weltkrieg an Gewalt, Rohheit, Entbehrung und Elend erleben musste, hat er aufgeschrieben. Die Bücher können hier kostenlos heruntergeladen werden. Die Originale wurden jetzt dem Heimatmuseum Wulmeringhausen übergeben. Rüther dankte dabei Ortsheimatpfleger Stefan Rösen für das Engagement, die Dokumente auszustellen. Der Heimatverein lädt am Sonntag, 22. Oktober 2023 um 16:00 Uhr zur Buchlesung im Gemeindehaus in Wulmeringhausen ein. Die Anmeldung ist ebenfalls über die Website möglich. Eine Stunde vor der Buchlesung ist auch das Heimatmuseum geöffnet.
Noch heute von Bedeutung
„Die Ereignisse, die mein Vater im Krieg miterleben und aushalten musste, waren mir so lange unbekannt, bis ich die Bücher in die Hand bekam. Das war für mich ein Schock“, berichtet Rüther und bedauert, dass die Aufschreibungen erst im Nachlass entdeckt wurden. „Solche Kriegshandlungen beim eigenen Vater – undenkbar – bis ich beim Lesen eines Besseren belehrt wurde.“
Gewalt in Kriegen zählt laut Rüther nicht zur Geschichte, sondern leider zur Wirklichkeit. Das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine werde viele tausend Menschen wieder in Schweigen über erlebte und ausgeübte Gewalt versetzen. Die Auswirkungen würden auch dort über Generationen, Kinder und Nachkriegskinder, ausgetragen.
Eine Soldatengeschichte
Der 1921 geborene Alfons Rüther sen. aus Wulmeringhausen lebte als Schneider im Elternhaus, wo sowohl der Vater als auch der Bruder das Handwerk ausübten. In Wulmeringhausen kannte sie jeder, es waren die „Kabbens-Schneider“, benannt nach dem Berg, auf dem das Haus stand. Mit 19 zog es ihn nach Mönchengladbach zum Studium als Textilingenieur. Doch nach zwei Semestern war Schluss, statt Studium folgten vier Jahre Kriegseinsatz.
Im April 1941 wurde Rüther zur Kriegsausbildung eingezogen, in die Gallwitz-Kaserne in Aachen. Über Drill und Unsinn und wie es in einer Wehrmachtskaserne abläuft, berichtet er ebenso wie über den Weg an die Ostfront. Dieser führte in einem Viehwagon an der Heimat vorbei, durch Bestwig, Olsberg, Brilon-Wald. Wohin die Reise ging, wussten die Soldaten nicht. Die Wehrmacht schickte ihn zuerst auf die Krim nach Sewastopol. Nach einer Verwundung und Lazarettaufenthalt ging es vom Süden Russlands in den hohen Norden nach Leningrad, dem heutigen St. Petersburg.
Rüther überlebte, weil er kurz vor der Einkesselung durch die Rote Armee im Raum Königsberg von einer Granate getroffen und mit dem Lazarettschiff nach Stettin ausgefahren wurde. Behandelt wurde er in Halberstadt. Die Stadt wurde von den Amerikanern eingenommen und als Soldat im Mannschaftsgrad erhielt er einen Entlassungsschein nach Hause. So konnte er zu Fuß im Juli 1945 nach Wulmeringhausen zurückkehren und landete nicht in russischer Gefangenschaft.