NS-Zeit: Auch Sauerland von Zwangssterilisation betroffen

Auch im Sauerland wurden während der NS-Zeit Menschen unfruchtbar gemacht. Wie viele, zeigt eine aktuelle Auswertung des Arbeitskreises Dorfgeschichte Arnsberg-Voßwinkel.

© Heimatverein Voßwinkel

Im Kreisarchiv des Hochsauerlandkreises in Meschede wurden die Sterilisierungsbücher der seinerzeit selbständigen Kreise Arnsberg, Brilon und Meschede entdeckt. Diese geben laut Michael Filthaut, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitskreises, nicht nur Aufschluss über das rigorose Vorgehen der Nationalsozialisten im Rahmen ihrer Pseudowissenschaft „Erbgesundheit und Rassenhygiene“ im ländlichen Sauerland, sondern liefern auch erstmals konkrete Zahlen für den regionalen Bereich.

Demnach gab es im Altkreis Brilon etwa 400 Unfruchtbarmachungen, im Kreis Meschede sind 136 dokumentiert. Die Aufzeichnungen allein für den Kreis Arnsberg, zu dem seinerzeit auch die Stadt Warstein gehörte, zeigen, dass aus über 50 Gemeinden mehr als 300 Menschen unfruchtbar gemacht wurden. Es ist laut Filthaupt dokumentiert, in welchen Krankenhäusern die Eingriffe vorgenommen wurden, und auch, wie die Betroffenen teilweise darunter gelitten haben. Zudem kam es zu ähnlichen Verbrechen in den damaligen sogenannten Provinzialheilanstalten in Marsberg (ca. 300) und in Warstein (über 750). Vorausgegangen waren jeweils Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht in Arnsberg, das über die Unfruchtbarmachung vermeintlich Erbkranker zu entscheiden hatte. Wurden sie verurteilt, wurde die Ausführung mit aller Härte durchgesetzt.

Einsatz gegen das Vergessen

„An viele Opfer der NS-Diktatur wird regelmäßig gedacht, nicht aber an die Opfer von Euthanasie und Zwangssterilisation“, so Filthaupt. „Obwohl allein von der zwangsweisen Sterilisierung reichsweit über 400.000 Menschen betroffen waren und über 5.000 an den Folgen gestorben sind, sind diese Opfer weitgehend in Vergessenheit geraten.“

Die Vorstellung dieses bemerkenswerten Fundes passt gerade zeitlich zum 90. Jahrestag der Verabschiedung des „Gesetzes zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933. Wenn wir an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnern, sollten wir auch an die Menschen denken, die unter den Folgen dieses Gesetzes sehr gelitten haben, so Michael Filthaut der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises.

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