Mehr unberührte Natur im Sauerland
Veröffentlicht: Dienstag, 21.10.2025 06:00
Eine Fläche von gut 700 Fußballfeldern zwischen Schmallenberg und Winterberg soll zu einem Wildnisentwicklungsgebiet werden, wo der Mensch keinen Einfluss nimmt.

Zur Stärkung der Artenvielfalt und zur Bereicherung des Naturerlebens will das Land NRW im Hochsauerlandkreis das Wildentwicklungsgebiet südwestlich von Winterberg-Siedlinghausen vergrößern. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima und der Landesbetrieb Wald und Holz NRW werden die 500 Hektar-Fläche in den nächsten Monaten begutachten, um die genauen Grenzen für das neue Gebiet festzulegen. Im Vorfeld haben NRWs Umweltminister Oliver Krischer, Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen und der Landrat des Hochsauerlandkreises Karl Schneider über das Projekt informiert.
Aus Naturschutzgebiet wird Wildnis
Dabei betonte Krischer: „Wildniswälder sind unverzichtbare Rückzugsräume für bedrohte Arten und eröffnen den Menschen beeindruckende Naturerlebnisse. Mit dieser Entscheidung übernehmen wir Verantwortung für den Schutz unseres natürlichen Erbes und für die kommenden Generationen.”
Die geplanten Erweiterungsflächen sind zu einem großen Teil als Naturschutzgebiet und als europäisches Fauna-Flora-Habitat-Gebiet geschützt. Durch die Aufnahme in das Netz der Wildnisentwicklungsgebiete ermöglichen sie künftig die Entwicklung natürlicher und ungelenkter Wälder, in denen Tiere und Pflanzen ohne Steuerung durch Menschen existieren und sich entwickeln können.
Landeseigener Wald wird verwildert
Ministerin Silke Gorißen sagte: „Die Landesregierung bekennt sich zur Zielsetzung der Wildnisentwicklung. Deshalb erfolgt eine sukzessive Erweiterung des bestehenden Netzes an Wildnisgebieten im landeseigenen Wald. Die Entwicklungsflächen leisten einen Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt und ermöglichen zugleich der Bevölkerung, natürliche Waldprozesse unmittelbar zu erleben.“ Bei den neuen Wildnisentwicklungsgebieten handelt es sich um Flächen im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen. „Der Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen wird sich auch um die neuen Wildnisentwicklungsgebiete kümmern. Oberstes Ziel sind dabei natürliche Abläufe, damit die Natur wieder in ihre eigenen Kreisläufe zurückfinden kann.
Wald bleibt begehbar
Wo erforderlich, gilt es, noch letzte Entwicklungsmaßnahmen und Renaturierungen zur Förderung der Naturnähe durchzuführen. Auch Angebote der Umweltbildung sind uns wichtig, um die Gebiete für Besucherinnen und Besucher erlebbar zu machen”, erläuterte Thomas Kämmerling, Leiter Wald und Holz NRW, vor Ort.
Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen bereits mehr als 100 Wildnisentwicklungsgebiete, 75 Naturwaldzellen sowie besondere Schutzzonen im Nationalpark Eifel. Die Landesregierung hat beschlossen, das Netz der Wildnisentwicklungsgebiete im Landeswald bis 2026 sukzessive um 5.000 Hektar zu erweitern und zu stärken. Den Startschuss für die gemeinsame Initiative gaben Umweltminister Oliver Krischer und Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen am 8. Juli 2025 im Siebengebirge. Zusammen mit den bestehenden Schutzgebieten sollen damit künftig gut 15 Prozent des Landeswaldes und zwei Prozent der Gesamtwaldfläche von Nordrhein-Westfalen der natürlichen Waldentwicklung überlassen werden.
Bäume werden nicht gefällt
In Wildnisentwicklungsgebieten können Bäume ihr natürliches Höchstalter erreichen und als Alt- und Totholz wertvollen Lebensraum für seltene und gefährdete Arten bieten. Viele Arten sind gerade auf solche Wälder mit unterschiedlichen Altersphasen und vielfältigen Strukturen angewiesen. Schwarzspechte bauen bevorzugt in alten Buchen ihre Höhlen, die später auch von Hohltauben, Fledermäusen und Käuzen genutzt werden. Auch der seltene Hirschkäfer mit seinen geweihartigen Oberkiefern, der Urwaldrelikt-Käfer Eremit und Bockkäfer finden in alten Bäumen wertvollen Lebensraum. Zudem ziehen sich Wildkatzen bevorzugt in ungestörte Refugien von ungenutzten Wäldern zurück und ziehen dort ihre Jungen groß. Neben der großen Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt unterstützen Wälder mit natürlicher Entwicklung auch den natürlichen Klimaschutz, dienen der Forschung, fungieren als wichtige Referenzfläche in Zeiten des Klimawandels und ermöglichen zudem attraktive Naturerfahrungen, heißt es.