Kein "Weiter so" beim Wisent-Projekt am Rothaarsteig

Beim Wisent-Artenschutzprojekt am Rothaarsteig darf es nicht weitergehen wie bisher. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das heute in Bad Berleburg vorgestellt wurde.

© Wisent-Welt-Wittgenstein

Die freilebende Wisent-Herde am Rothaarsteig braucht mehr professionelle Führung: So steht es in einem Gutachten, das heute der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Demnach sei das Artenschutzprojekt grundsätzlich eine Bereicherung - auch für den Tourismus. Der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein brauche aber mehr Geld und Unterstützung, um die Tiere im Zaum zu halten. Denn sie kennen keine Landkreis-Grenzen, betonte der Wildtierforscher Oliver Keuling vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Er hat das Gutachten als Fachmann vorgestellt.

Trägerverein muss mehr Geld investieren

Falls der Verein Wisent-Welt-Wittgenstein das Projekt weiterführen wolle, müsse er deutlich mehr Geld investieren und sich professionelle Unterstützung suchen, heißt es in dem Dokument. Aktuell werde die Herde schlecht gemanaged, die Sender an den Halsbändern der Tiere seien veraltet und sie könnten regelmäßig aus ihrem Areal ausbüxen. Was dann passiert, haben die vergangenen acht Jahre immer wieder gezeigt: Die Rinder sorgen für Verkehrsunfälle und beschädigen die Bäume von Waldbauern in Schmallenberg.

Das Gutachten sieht deswegen die Beteiligung externer Partner ab dem kommenden Jahr vor. Im Gespräch sind etwa der Zoo Köln oder die Deutsche Wildtierstiftung. Außerdem gelte es, das Gelände mithilfe eines virtuellen Zauns zu begrenzen. Das bedeutet: elektronische Überwachung oder Vergrämung der Tiere. Darüber hinaus dürfe die Herde eine Größe von 20 Tieren nicht übersteigen.

Projekt abbrechen? Sauerländer Waldbauer ist dafür

Auch die Möglichkeit, das seit 2003 laufende Projekt abzubrechen, hat der Gutachter durchgespielt. Zentral ist dabei die Frage, wohin die Tiere übersiedelt werden könnten. Auf keinen Fall wolle man die Wisente töten, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Ein dauerhaftes Großgatter komme aber ebenso wenig in Frage: Das sei einfach zu teuer.

Waldbauer Hubertus Dohle stimmt dem Gutachten grundsätzlich zu: Er ist wegen des hohen Kosten- und Energie-Aufwandes aber klar dafür, das Projekt zu stoppen. Die Tiere seien toll anzuschauen, gehörten hier aber einfach nicht hin, sagte er im Gespräch mit uns. Deshalb sei es umso fataler, sie sich selbst zu überlassen - für die Gesundheit der Bäume, aber auch mit Blick auf die Sicherheit der Sauerländer Wanderer und Verkehrsteilnehmer.

© Radio Sauerland

Gutachten soll ausgewertet werden

Die zuständige Koordinierungsgruppe will das Gutachten jetzt detailliert auswerten, Anfang 2022 über weitere Schritte entscheiden und sich einen weiteren Partner fürs Herden-Management suchen.

Wisent-Projekt sorgt seit Jahren für Zoff

Ins Leben gerufen hat der Verein „Wisent-Welt-Wittgenstein“ das Projekt zur Wiederansiedlung von Wisenten im Rothaargebirge schon 2008. Da lebten die Tiere aber noch zur Eingewöhnung in einem Gehege in Bad Berleburg. Die sogenannte Freisetzungsphase begann dann im Jahr 2013: Dazu wurde damals zwischen dem Trägerverein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen und der Wittgenstein-Berleburg'schen Rentkammer ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen. Und seitdem gibt es Zoff.

Waldbauern wollen keine Wisente

Die freilebende Herde sorgt nämlich für anhaltende Probleme mit Waldbauern aus dem Sauerland. Sie beschweren sich seit Jahren über Schälschäden an ihren Bäumen: Die entstehen, weil die Wisente regelmäßig aus ihrem über 4.000 Hektar großen Areal ausbüxen und an der Rinde der Bäume von den Waldbauern in Schmallenberg knabbern.

Die großen Rinder und die Verantwortung des Trägervereins "Wisent-Welt-Wittgenstein" sind deshalb regelmäßig Gegenstand juristischer Streitigkeiten - das Ganze ging schon bis hin zum Bundesgerichtshof. Hier steht ein Urteil noch aus.

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