Kein Aufschwung in Sicht: Schrumpft die Wirtschaft erneut?

Hafen Hamburg
© Marcus Brandt/dpa

Dauerkrise

Frankfurt/Main (dpa) - Die Hoffnung auf eine Trendwende ist dahin: Im ersten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft nach zwei Jahren Rezession zwar leicht gewachsen sein. Doch die Aussichten für die Exportnation Deutschland 2025 sind alles andere als gut - nicht zuletzt wegen der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump.

Wie geht es der deutschen Wirtschaft?

Steigende Industrieproduktion, etwas bessere Geschäfte am Bau, Umsatzplus im Einzelhandel: In den ersten Monaten des Jahres gab es Hoffnungsschimmer. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung im ersten Vierteljahr zum Vorquartal leicht zugenommen hat. Im Schlussquartal 2024 hatte es preisbereinigt noch ein Minus von 0,2 Prozent gegeben. Doch der lang ersehnte Lichtblick dürfte nicht lange währen, denn mit dem Zollkonflikt hat sich die Ausgangslage für die kommenden Monate grundlegend verändert. 

Wie sind die Aussichten?

Europas größter Volkswirtschaft droht das dritte Jahr ohne Wachstum in Folge - das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Reihenweise wurden in den vergangenen Wochen die ohnehin schon niedrigen Erwartungen gesenkt:

  • Die geschäftsführende Bundesregierung erwartet für dieses Jahr eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Januar hatte die Regierung noch mit 0,3 Prozent Plus gerechnet.
  • Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) traut der deutschen Wirtschaft im laufenden Jahr kein Wachstum zu. Er rechnet angesichts der aggressiven Zollpolitik von Trump mit einer globalen Wachstumsflaute.
  • Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sagte, im besten Fall gebe es 2025 eine Stagnation. Er könne aber «nicht ausschließen, dass wir möglicherweise auch ein leichtes negatives Vorzeichen bekommen, also eine leichte Rezession».

Was sind die größten Lasten?

Mit seiner aggressiven «America first»-Politik hat Trump Handelspartner und Finanzmärkte in Aufruhr versetzt. Allein das XXL-Zollpaket ist eine Belastung historischen Ausmaßes, Trumps Zickzack-Kurs bringt zusätzliche Ungewissheit: Ein Teil der Zölle ist bereits zeitweise ausgesetzt. Von «außergewöhnlich hoher Unsicherheit» sprach jüngst EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Vincenzo Vedda, Global Chief Investment Officer bei der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS, sagte: «Mit einem turbulenten Antritt Donald Trumps zweiter Amtszeit hatten wir gerechnet. Dass die Abschottung der USA so kompromisslos verfolgt werden würde, hatten wir jedoch nicht erwartet.» Unabhängig vom Fortgang der Zollpolitik sei «bereits genug Vertrauen zerstört, um Verbraucher, Anleger und Unternehmen vorsichtiger werden zu lassen».

Wie will die künftige Bundesregierung gegensteuern?

Union und SPD haben umfangreiche Maßnahmen angekündigt, um die Wirtschaft anzukurbeln: Geplant sind bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, außerdem wollen die neuen Regierungspartner Energiekosten und Unternehmenssteuern senken, das Arbeitsrecht flexibilisieren und Bürokratie abbauen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sollen Kosten sinken.

Steigt die Inflation wieder?

Auch bei der Inflation sind die Aussichten mit dem Zollstreit ungewisser geworden. So könnten sich etwa Industriegüter verteuern. Manche Volkswirte fürchten zudem, dass mit den geplanten gewaltigen Milliarden-Ausgaben des Bundes für Verteidigung und Infrastruktur die Inflation steigen könnte.

Das Ifo-Institut rechnet damit, dass die Teuerungsrate in Deutschland in den kommenden Monaten über der Marke von 2,0 Prozent bleiben wird. 2022 lag die Inflation im Jahresschnitt bei 6,9 Prozent und 2023 bei 5,9 Prozent, 2024 flaute sie im Jahresschnitt auf 2,2 Prozent ab. Das Leben in Deutschland verteuert sich also nicht mehr so stark, allerdings spüren Verbraucher das gestiegene Preisniveau im Alltag. Im März lag die Inflationsrate bei 2,2 Prozent.

Da auch im Euroraum die Inflation schwindet, hat die Europäische Zentralbank die für Banken und Sparer maßgeblichen Einlagenzinsen bereits sieben Mal seit vergangenem Juni gesenkt: auf derzeit 2,25 Prozent. Die EZB könnte ihn im Sommer weiter senken, was für Sparer sinkende Zinsen bedeuten würden.

Welche Bedeutung haben Trumps Zölle für Deutschland?

Die exportstarke deutsche Wirtschaft ist von Trumps Zolloffensive besonders betroffen: Die USA sind Deutschlands wichtiger Handelspartner vor China und den Niederlanden und größter Abnehmer deutscher Ausfuhren. 2024 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehandelt. Dabei lieferten deutsche Firmen Waren im Wert von gut 161 Milliarden Euro in die USA, gut zehn Prozent aller Exporte. Für die deutschen Exporteure seien die Vereinigten Staaten so wichtig wie nie in den vergangenen 20 Jahren.

Geht es allen Branchen schlecht?

Während Schlüsselindustrien wie Auto und Maschinenbau schwächeln, profitieren Banken und Versicherungen vom gestiegenen Zinsniveau. Das beschert Konzernen wie Allianz, Munich Re und Commerzbank Rekordgewinne. Robust zeigt sich auch die Pharmabranche, die Milliarden-Investitionen aus dem Ausland anzieht. Und Europas größter Softwarekonzern SAP erzielte einen Gewinnsprung. Allerdings hat die IT-Branche gesamtwirtschaftlich keine herausgehobene Bedeutung für Deutschland. Ähnliches gilt für den Tourismus, der 2024 ein Rekordjahr verbuchte. Denn für Urlaub geben die Deutschen traditionell gerne Geld aus - Krise hin oder her.

Was macht Hoffnung auf Besserung?

Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft würden sich erheblich aufhellen, sollte der Zollstreit mit den USA beigelegt werden. Die Europäische Union hat in der Hoffnung auf Verhandlungen bereits geplante Gegenzölle ausgesetzt. Und Trump hat Autoherstellern zumindest Zollausnahmen in Aussicht gestellt.

Beflügelt werden dürfte die heimische Konjunktur zudem vom Milliarden-Paket des Bundes für Verteidigung und Infrastruktur - wenn auch nicht sofort. «Von den finanzpolitischen Weichenstellungen der künftigen Bundesregierung werden positive Impulse ausgehen, die allerdings erst in den kommenden Jahren spürbar zum Wachstum beitragen werden», meinte die scheidende Bundesregierung. Sie erwartet für 2026 immerhin 1,0 Prozent Wirtschaftswachstum.

© dpa-infocom, dpa:250430-930-480615/1
Deutschland in der Rezession
Trübe Stimmung in der deutschen Wirtschaft: Die Unsicherheit ist so groß wie lange nicht. (Archivbild)© Rolf Vennenbernd/dpa
Trübe Stimmung in der deutschen Wirtschaft: Die Unsicherheit ist so groß wie lange nicht. (Archivbild)
© Rolf Vennenbernd/dpa
Frühjahrsprojektion der geschäftsführenden Bundesregierung
Der geschäftsführende Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet für 2025 nur eine Stagnation der deutschen Wirtschaft. (Archivbild)© Kay Nietfeld/dpa
Der geschäftsführende Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet für 2025 nur eine Stagnation der deutschen Wirtschaft. (Archivbild)
© Kay Nietfeld/dpa
US-Präsident Trump
Risiko für die deutsche Wirtschaft: Die erratische Zollpolitik von Donald Trump. (Archivbild)© Uncredited/Pool/dpa
Risiko für die deutsche Wirtschaft: Die erratische Zollpolitik von Donald Trump. (Archivbild)
© Uncredited/Pool/dpa
Wohnungsbau in Köln
Die Baubranche, einst eine Stütze der deutschen Wirtschaft im Immobilienboom, schwächelt. (Archivbild)© Rolf Vennenbernd/dpa
Die Baubranche, einst eine Stütze der deutschen Wirtschaft im Immobilienboom, schwächelt. (Archivbild)
© Rolf Vennenbernd/dpa
Schwarz-rote Koalition
Wollen die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung bringen: Der wahrscheinlich nächste Kanzler, Friedrich Merz (CDU), und SPD-Chef Lars Klingbeil. (Archivbild)© Kay Nietfeld/dpa
Wollen die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung bringen: Der wahrscheinlich nächste Kanzler, Friedrich Merz (CDU), und SPD-Chef Lars Klingbeil. (Archivbild)
© Kay Nietfeld/dpa
Hamburger Hafen
Für die Exportnation Deutschland kommt der Zollstreit zur Unzeit. (Archivbild)© Daniel Bockwoldt/dpa
Für die Exportnation Deutschland kommt der Zollstreit zur Unzeit. (Archivbild)
© Daniel Bockwoldt/dpa

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