Arnsberg erinnert an Möhnekatastrophe

Vor 80 Jahren wurde die Möhnesperrmauer zerstört, auch Neheim war stark betroffen.

© Ruhrverband

Die Möhnekatastrophe jährt sich heute zum 80. Mal. Damals war auch Neheim, ein Teil der Stadt Arnsberg, in weiten Teilen von Wassermassen zerstört worden. In Arnsberg wird an die Schicksalsnacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 erinnert. Das Ereignis aus dem Zweiten Weltkrieg ist Teil der Stadtgeschichte.

Damals griffen englische Bomber im Kampf gegen Nazi-Deutschland die Sperrmauer des Möhnesees an. Nach mehreren erfolglosen Versuchen erzielte eine der abgeworfenen Bomben ihre volle Sprengkraft, riss ein Loch in die riesige Mauer und löste eine riesige Flutwelle aus. Die riss alles mit, was im Weg stand und breitete sich bis in das Ruhrgebiet aus. Die genaue Zahl der bei dem Angriff getöteten Menschen ist bis heute unbekannt, aber allein über 1.000 Menschen in Neheim sind Schätzungen zufolge dabei verstorben. Die Mehrzahl von ihnen waren Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine. 80 Jahre nach dem Angriff erinnert die Stadt an die „Möhnekatastrophe“ mit ihren Folgen für die Menschen in der heutigen Stadt Arnsberg und darüber hinaus.

Veranstaltungen erinnern an die Katastrophe vor 80 Jahren

Es gibt Veranstaltungen, die an die Ereignisse erinnern und zum Frieden aufrufen wollen. Heimatbund Neheim-Hüsten, die „Rote Schule“ und die „Agnes-Wenke-Schule“ sind dabei aktiv. Seit Samstag läuft bereits die Ausstellung „Auf den Flügeln des Friedens. Aus Kriegserfahrungen lernen – 80 Jahre nach der Möhneflut vom 17. Mai 1943“ des Heimatbundes Neheim-Hüsten in Kooperation mit den beiden Neheimer Schulen. Zu sehen ist sie dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 13 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Weitere Veranstaltungen

Die Stadtbibliothek Neheim hat den Autor Titus Müller eingeladen. Er ist Samstag um 19 Uhr vor Ort. Sein 2013 veröffentlichter Roman „Nachtauge“ setzt sich literarisch mit der Möhnekatastrophe und den Folgen für die Menschen auseinander. Der Autor thematisiert dabei nicht nur die Möhnekatastrophe, sondern beschäftigt sich darüber hinaus mit dem Schicksal osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen in Neheim, Spionage in England und den Experimenten der britischen Luftwaffe.

Eine Veranstaltung des Heimatbundes Neheim-Hüsten am Donnerstag, 1. Juni, beendet die Reihe. In der Stadtbibliothek Arnsberg in der Klosterstraße wird ein Film mit dem Titel „Gedenken an die Flut“ gezeigt. Der Eintritt ist frei, Beginn ist um 18.30 Uhr.

Hintergrund (Quelle: Ruhrverband):

Die „Operation Züchtigung“ im Mai 1943 sollte Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet und Moral der Bevölkerung schwächen Für den Angriff auf die Möhne-, Lister-, Sorpe- und Ennepetalsperre des Ruhrverbands sowie auf die Edertalsperre im Waldecker Land hatten die Piloten der Royal Air Force monatelang trainiert. In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 griff die 617. Bomb Squadron unter dem Befehl von Wing Commander Guy Penrose Gibson die Absperrbauwerke mit eigens für diesen Zweck konstruierten Rotationsbomben an, die nach dem Prinzip eines hüpfenden Kieselsteins in Richtung der Staumauer springen, dort versinken und in der Tiefe explodieren sollten.


Am Möhnesee erreichte eine der abgeworfenen Bomben ihr Ziel und verursachte einen Riss in der Mauer, der sich durch den Druck der ausströmenden Wassermassen rasch zu einer fast 80 Meter breiten Lücke erweiterte. Mit einer Höhe von bis zu sieben Metern raste die Flutwelle durch das enge Möhnetal und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand. In weniger als neun Stunden strömten über 100 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Talsperre und ergossen sich bis weit ins Ruhrtal hinein. Häuser wurden fortgespült, Brücken und Straßen zerstört. Das Kraftwerk am Hengsteysee, mehr als 60 Kilometer flussabwärts gelegen, wurde ebenso überflutet wie die Wasserwerke an der mittleren Ruhr. Auf den umliegenden Äckern hinterließ das Wasser unvorstellbare Mengen von Schlamm und Geröll. Schätzungsweise 1.600 Menschen kamen bei der Möhnekatastrophe ums Leben, die meisten davon ausländische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in einem Lager fünf Kilometer unterhalb der Sperrmauer untergebracht waren.


Die Menschen in der Region spürten die Folgen der Zerstörung noch monatelang: Die Versorgung mit Trinkwasser war durch die Beschädigung der Stauanlagen und Wasserwerke stark eingeschränkt. Da viele Kläranlagen ebenfalls zerstört oder beschädigt waren, gelangten hoch belastete Industrieabwässer ungereinigt in die Flüsse. In den Rüstungsstandorten Dortmund, Bochum und Hagen lag die Produktion durch den Ausfall von Wasser- und Elektrizitätswerken mehrere Tage lang still. Zeitnah begann die „Organisation Todt“, der Bautrupp des NS-Regimes, mit dem Wiederaufbau und setzte dabei nahezu 4.000 Arbeitskräfte, überwiegend ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, ein. Bereits im September 1943 konnte die Möhnetalsperre wieder eingestaut werden.


Mit dem Wiederaufbau der ebenfalls beschädigten Grundablässe der Möhnetalsperre begann der Ruhrverband erst 1950. Anschließend wurde als Ersatz für das bei dem Angriff zerstörte Hauptkraftwerk ein neues Werk am Auslauf des früheren Umleitungsstollens für Möhne und Heve errichtet. Das alte Nebenkraftwerk wurde abgetragen und – zusammen mit einem deutlich vergrößerten Ausgleichsweiher – ebenfalls durch ein neues Kraftwerk 400 Meter westlich der alten Position ersetzt. Die „Operation Chastise“ („Züchtigung“), wie ihr Codename lautete, hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschen in der Region eingegraben – vor allem natürlich in der am schwersten betroffenen Region rund um die Möhnetalsperre. Am Standort des durch die Flutwelle völlig zerstörten Klosters Himmelpforten erinnert heute ein Mahnmal an die vielen hundert Menschen, die im dortigen Lager für ausländische Zwangsarbeitskräfte von der Flut überrascht wurden und ertranken. Auch im Ortskern von Neheim gibt es ein Mahnmal für die Opfer der Katastrophe.

Wiederaufbau Möhnesperrmauer ( 1943 )© Ruhrverband
Wiederaufbau Möhnesperrmauer ( 1943 )
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